Tanz der Freundinnen

Tanz der Freundinnen

Ich will schreiben, und meine Finger verharren bewegungslos einen Zentimeter über der Tastatur. Eigentlich liebe ich es zu schreiben, aber heute will es nicht.

Die Tasten schauen schon erwartungsvoll auf die Finger, doch die Finger ignorieren die Tasten, haben Angst vor dem Sprung in die Verbindlichkeit.

Im Kopf überschlagen sich die Buchstaben zu Worten, verschlingen sich Worte zu Satzkonstrukten und ergeben doch keinen Sinn. Sie schlagen Purzelbäume, um sich zu befreien, und plötzlich und vollkommen unerwartet hängen sie in der Luft, ohne Netz und doppelten Boden. Einfach so. Unabhängig. Frei.

Die Freiheit der Worte verwirrt den Kopf und seine Gedanken, die sich in gewohnten Bahnen bewegen wollen. Doch die Worte tanzen ihren eigenen Reigen, hören eine eigene Musik, die für die gewohnten Bahnen nicht zu hören ist.

Sei tanzen und entziehen sich der Greifbarkeit, bleiben im Kopf, haben ihren eigenen Rhythmus. Die Finger bewegen sich zu dieser unhörbaren Musik, dem stummen Rhythmus, doch die Worte entziehen sich weiterhin.

Dann ziehen sich die Finger zurück von der Tastatur, legen sich stumm daneben und lauschen der unhörbaren Musik und beobachten den Tanz der Worte im Kopf, lassen sie los, gönnen ihnen die Freiheit der eigenen Bewegung im Raum, unabhängig von Sätzen oder sonstigen externen Machenschaften.

Dann, ganz langsam, und dann immer schneller, bewegen sich die Finger auf die Tastatur zu, können nicht mehr von ihr lassen, umarmen sie mit ihren Bewegungen, tanzen auf ihr zu der zuvor gehörten Musik und wiegen sich im Rhythmus.

Worte fliegen ihnen zu, formen sich zu Gemeinschaften, tanzen zu ihrer Musik über die Tastatur und formen Gebilde, Sätze…

… und ergeben einen Sinn für den lesenden Menschen. Sinnvoll mag etwas anderes sein.

Doch so geht es mir immer wieder als Autorin. Wenn ich mich zwinge zum Schreiben, tanzen die Buchstaben und Worte weiter in meinem Kopf. Lasse ich sie los, wollen sie in die Tastatur.